pax christi wünscht Ihnen Frohe und Gesegnete Ostern!
22. Mrz 2008
Ich gehe in Pension und lege also alle administrative Verantwortung nieder. Aber mein Gebet und mein Weg im Mysterium Gottes in diesem Heiligen Land dauern fort. Ich werde auch weiterhin die Leiden und Hoffnungen der Männer und Frauen dieses Landes, der Gläubigen aller Religionen, die es bewohnen, begleiten.Zwei Auszüge aus dem langen Schreiben, das auf der Webseite des Jerusalemer Lateinischen Patriarchats auch in Deutsch eingestellt ist:
Die Christen und der Konflikt (13)
In unserer Gesellschaft gibt es einen bewaffneten Konflikt, und zwar durch die Besetzung der palästinensischen Territorien durch Israel und durch die Forderung Israels nach Sicherheit und Anerkennung. Wie alle Bewohner dieses Landes, Palästinenser und Israelis, sind die palästinensischen und israelischen Christen Teil dieses Konfliktes. Unter keinerlei Vorwand können sie sich auf eine Zuschauerrolle beschränken, während andere den Preis für die Freiheit zahlen und die damit verbundenen Opfer auf sich nehmen. Zuschauer bleiben bedeutet, am Rande stehen, den Männern und Frauen ihres Volkes fremd bleiben, was nicht der Berufung des Christen entspricht. Wie alle Palästinenser sind wir Opfer der Besatzung. Wie alle Palästinenser müssen wir den Preis zahlen, um unsere politische, wirtschaftliche, und - in Aspekten, wie dem freien Zugang zu den heiligen Stätten und zu Jerusalem - auch religiöse Freiheit wiederzuerlangen. Die Freiheit wiedererlangen, den Preis bezahlen und Widerstand leisten ist eine Pflicht. Wir glauben aber gleichzeitig an das Gebot der Liebe, und daher an einen Widerstand, der der Logik der christlichen Liebe entspricht, nämlich ein gewaltloser Widerstand, der fähig ist, die beiden Völker dazu zu führen, auf gleichberechtigte Weise Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit zu genießen.
Die Herausforderungen des Dialogs (17)
Der lokale interreligiöse Dialog begann mit vielen Kontakten zwischen Moslems, Juden und Christen und führte schließlich in den vergangenen Jahren zur Errichtung des Rates der Religiösen Institutionen im Heiligen Land, indem die drei Religionen auf höchster Ebene vertreten sind. Dieser Dialog hat die Aufmerksamkeit der politischen Verantwortlichen auf sich gezogen und eine neue Realität im Heiligen Land eingeleitet: zum ersten Mal in der Geschichte begegnen einander die religiösen Führer der drei Religionen um gemeinsam über den Frieden in diesem Land nachzudenken. In diesem Dialog werden vor allem die Dimension des Glaubenden und sein Bezug zu Gott hervorgehoben. Wir wollen als Gläubige, die vor demselben Gott stehen, miteinander nachdenken. Weitere Punkte, wie gemeinsame Werte des Menschseins, Verschiedenheiten und Fähigkeit zur Versöhnung und religiöse Werte, wie Selbstlosigkeit in der Annahme und dem Respekt des Anderen, der gleichermaßen Geschöpf Gottes ist, durch Ausübung von Gerechtigkeit und friedensfördernde Maßnahmen, finden auch ihren Platz.
Es gibt jedoch in unseren von der Religion geprägten Gesellschaften noch Unreife, was die Annahme und den Respekt des anderen betrifft. Bisher haben noch nicht alle Christen, alle Moslems und alle Juden gelernt, zusammenzuleben und das gemeinsame Leben annehmbar und ruhig zu gestalten. Immer noch gibt es Extremismus, Unwissenheit oder Verhaftung in der Vergangenheit, und somit Quellen des Misstrauens, des Verdachtes und der Angst, Quellen der Aggressivität gegen Mitbürger einer anderen Religion.
Der Dialog zwischen den Führern und Eliten existiert. Er ist nützlich und muss geduldig fortgeführt werden. Was wir aber gleichzeitig brauchen, ist eine Schulung der jungen Generationen. Um die Gesellschaft zu befrieden und die mehr oder weniger umfassenden Spannungen auszuschalten, muss das Erziehungswesen in allen Instanzen verändert werden, sei das zu Hause, in der Schule, in den Orten des Kultes oder den Medien. Ein klarer und unmissverständlicher Ruf zu Annerkennung und Zusammenarbeit mit Andersgesinnten muss erklingen. Die neuen Generationen aller Religionen müssen hören, dass der Andere und die andere Religion kein Feind oder Fremder ist. Er ist ein Bruder, den man lieben muss und mit dem man zusammenarbeiten muss, um die Gesellschaft aufzubauen. Selbst für den Extremismus, der sich einerseits aus den Unwissenheiten der Vergangenheit nährt und andererseits aus den Ungerechtigkeiten und Ängsten der Gegenwart, kann durch ein solches neues Erziehungssystem teilweise Abhilfe geschaffen werden.
Schlusswort
Ich beende meinen Dienst als Patriarch von Jerusalem für die Gläubigen des lateinischen Ritus. Ich werde diesen bald meinem Nachfolger, Msgr Fouad Twal, übergeben. Ich bitte Gott, ihm allen Segen und reiche Gnade zu gewähren, um die Mission dieses erwürdigen Patriarchats weiterzutragen. Noch einmal danke ich Gott und all jenen, die Er auf meinen Weg gestellt hat, um ihnen zu dienen und um durch sie Gnaden zu empfangen. Ich werde weiterhin in Jerusalem leben. Mein tägliches Leben wird weiterhin, so wie es bis heute der Fall war, im Rahmen des Patriarchates getragen sein. Persönlich bin ich ohne Geld im Patriarchat angekommen und beende mein Mandat ebenfalls ohne Geld. Ich habe keine Bankkonten. Ich schulde niemandem etwas. Auch mir schuldet niemand etwas. Das Patriarchat als Institution hat immer Defizit gemacht. Aber Gott hat dieses Defizit, diese Armut gesegnet, und Er wird das Patriarchat auch weiterhin in seinen materiellen Bedürfnissen begleiten, damit es seine spirituelle Mission erfüllen kann. Für all dies danke ich dem Herrn, und ich bitte alle, mich mit ihrem Gebet zu begleiten. Ich vertraue mich der Fürbitte der Seligsten Jungfrau Maria an und erflehe für alle den Segen des Allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, des einen und einzigen Gottes. Amen.
Jerusalem, 1. März 2008